Wasserstofffahrzeuge – Die bessere E-Mobilität?

Für viele gilt Wasserstoff nach wie vor als Hoffnungsträger der nachhaltigen Mobilität, der die Vorteile von E-Autos mitnimmt und die Probleme wie lange Ladezeiten oder geringe Reichweite hinter sich lässt. Ist die Batterie also bloß eine Brückentechnologie und die Zukunft gehört in Wahrheit dem Wasserstoff?

Titelbild: „Hydrogen Powered Mustang“ by Hugo-90 is licensed under CC BY 2.0

Der Status-Quo

Im aktuellen Verkehrsbild spielt Wasserstoff keine ernstzunehmende Rolle. Laut KBA fuhren Anfang 2021 auf deutschen Straßen gerade einmal 808 H2-Autos. Dem stehen 309.083 vollelektrische Batteriefahrzeuge gegenüber (und 46,5 Millionen Verbrenner). Das Marktangebot ist mit zwei recht hochpreisigen Modellen von Toyota und Hyundai derzeit ebenfalls eher dünn.

Eine ähnliche Situation zeigt sich bei der Versorgung mit frischer Energie: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sind deutschlandweit 92 Wasserstofftankstellen im Betrieb. Für Fahrstrom gibt es  über 40.000 gemeldete, öffentliche Ladepunkte (davon 5.730 Schnelllader); private und firmeninterne Ladepunkte kommen hinzu. Aufgrund der unterschiedlichen Lade- und Tankgeschwindigkeit lassen sich die bloßen Zahlen freilich schlecht vergleichen, ein Blick auf die Versorgungslandkarten verrät aber, dass die Verfügbarkeit von Fahrstrom auch jenseits der Zentren ein gutes Stück weiter ist, da die wenigen H2-Tankestellen sich nicht in der Fläche verteilen sondern hauptsächlich um Großstädte ballen.

Aber was nicht ist, kann ja noch werden; schließlich standen E-Autos vor einigen Jahren auch noch vor ganz ähnlichen Problemen, sind aber heute vollständig alltagstauglich und setzen sich mit zunehmendem Tempo gegenüber der fossilen Welt durch. Daher soll es hier nicht um Einschränkungen durch mehr oder weniger schnell veränderliche Rahmenbedingungen, sondern viel mehr um die Vor- und Nachteile der Technik selbst gehen.

Wasserstoff als Energieträger

Zwei junge Männer stehen neben tankendem Wasserstoffauto

Wasserstoff eignet sich nämlich hervorragend zum Speichern von Energie: Sein Brennwert, der als Maß für die Energiespeicherfähigkeit je Masse verstanden werden kann, liegt mit 39,5 kWh/kg mehr als dreimal so hoch wie der von Dieselkraftstoff. Lithium-Ionen-Batterien bringen es zum Vergleich lediglich auf eine spezifische Energiespeicherfähigkeit um 0,1 kWh/kg. Daher kommt beispielsweise der Toyota Mirai mit seinen 5,6 kg H2-Tankinhalt auf eine beachtliche Reichweite von 650 km.

Eine Schwierigkeit stellt hingegen die Volumendichte dar: Bei Umgebungsdruck müsste der 5,6 kg-Tank über 62.000 Liter Fassungsvermögen mitbringen, was natürlich nicht in einem Auto unterzubringen ist. Wasserstoff wird deshalb mit hohem Druck, üblich sind zum Beispiel 700 bar, gespeichert; auch so beträgt das Tankvolumen noch über 100 Liter. Um diese hohen Drücke zu erzielen, werden leistungsstarke Kompressoren an den Tankstellen benötigt: Deren Betrieb kostet circa 12% des Energiegehalts des getankten Wasserstoffs. Der Tankvorgang an sich ist  dann innerhalb einiger Minuten abgeschlossen, es ist allerdings möglicherweise nötig, dass eine Art „Regenerationsphase“, in der ein Druck- und Temperaturausgleich durchgeführt wird, eingelegt werden muss, bevor ein weiteres Fahrzeug betankt werden kann.

Herstellung

Wasserstoff kommt auf der Erde nicht in abbaubarer Reinform vor, aber es gibt zahlreiche Wege, um ihn herzustellen. Etwa 40 % des derzeitigen Wasserstoffbedarfs entstehen bei Industrieprozessen als Nebenprodukt. Das ist natürlich eine günstige Situation, da so keine zusätzliche Energie in die Wasserstoffproduktion gesteckt werden muss; man muss aber davon ausgehen, dass der eventuelle künftige Mehrbedarf durch H2-Verkehrsmittel davon nicht gedeckt werden kann, da die so gewonnene Menge an die Haupterzeugnisse der Industrieprozesse gekoppelt ist.

Die bekannten Herstellungsverfahren für die verbleibenden 60 % lassen sich sehr grob in zwei Kategorien einteilen: Die Gewinnung aus fossilen Kohlenwasserstoffen deckt zurzeit 57 % des Gesamtbedarfs. Ernüchternde 3 % fallen auf das einzige potentiell emissionsfreie und gleichzeitig effizienteste Verfahren: Die Elektrolyse.

Dabei wird Wasser (H2O) elektrochemisch zu Sauer- (O2) und Wasserstoff (H2) gespalten. Wasser als Ausgangsstoff ist auf der Erde in ausreichender Menge vorhanden und wird bei der Nutzung des Energieträgers Wasserstoff wieder als „Abfallprodukt“ erzeugt; sofern der benötigte Strom für den Prozess aus regenerativen Quellen stammt, ist der Prozess insgesamt nachhaltig, man spricht daher auch von „grünem Wasserstoff“. Auch Sekundäreffekte wie das Abfangen und Speichern von Angebotsspitzen im Stromnetz sind damit möglich. Da wir H2-Fahrzeuge hier als Zukunftstechnologie betrachten, gehen wir davon aus, dass der verwendete Wasserstoff unter diesen Bedingungen gewonnen wird. Der Wirkungsgrad liegt um die 80 %, es werden also etwa 49,4 kWh elektrische Energie benötigt, um 1 Kilogramm Wasserstoff aus etwa 18 Litern Wasser zu gewinnen.

Nun haben wir also den Wasserstoff erzeugt und in unser Fahrzeug gebracht. Und wie geht es weiter?

Das Wasserstoff-Auto

Naheliegend wäre es, den Wasserstoff zu verbrennen und als Kraftstoff zu nutzen. Tatsächlich ist die Umrüstung herkömmlicher Verbrennungsmotoren auf Wasserstoff machbar und die einzige Möglichkeit, einen Verbrenner mit CO2-freiem Abgas zu betreiben. Von Emissionsarmut kann aber dennoch nicht die Rede sein: Aufgrund der hohen Brennraumtemperaturen stößt auch ein Wasserstoff-Motor Stickoxide aus; auch der Verbrennungslärm bleibt. Die Wirkungsgrade, die in Versuchsfahrzeugen um die 40 % lagen, sind zwar um Längen besser als bei den fossilen Vorbildern, können mit E-Autos aber nicht mithalten. Deshalb nutzen alle Wasserstofffahrzeuge, die in Serie gebaut werden, eine andere Methode.

Die Brennstoffzelle

In der Brennstoffzelle läuft prinzipiell der gleiche Vorgang ab wie im Elektrolyseur, bloß umgekehrt: Der mitgeführte Wasserstoff reagiert darin mit Sauerstoff zu Wasser („kalte Verbrennung“), woraus elektrische Energie gewonnen wird. Diese kann in einer Puffer-Batterie zwischengespeichert werden oder mit einem Elektromotor direkt die Räder antreiben. Die Batterie als Zwischenspeicher ist nötig, weil Brennstoffzellen dynamische Lasten, wie sie beim Autofahren unvermeidlich sind, schlecht abbilden können. Aus fahrzeugtechnischer Sicht sind Brennstoffzellen-Fahrzeuge also serielle Hybride mit einem chemischen und einem elektro-chemischem Energiespeicher. Der Brennstoffzellen-Wirkungsgrad liegt bei bis zu 60 %, beim Betrieb im Fahrzeug sind immerhin noch 50 % realistisch. Von der dabei gewonnen Energie kommen nach elektrischen und mechanischen Verlusten 90 % auf der Straße an.

H2-Fahrzeuge mit Brennstoffzelle haben viele Vorteile: Sie sind leise, das einzige Abgas ist Wasser, ihr Energieträger ist nachhaltig und emissionsfrei herstellbar, es ist nur ein recht kleiner Akku nötig (aktuelle Serien-Pkw nutzen um 1,6 kWh) und trotzdem können schon heute hohe Reichweiten bei kurzen Nachfüllzeiten erzielt werden. Können Batterie-Elektroautos da überhaupt mithalten?

Die Wirkungsgradkette

Werfen wir mal einen Blick auf die Effizienz und beginnen mit der Wasserstoffgewinnung: Im Idealfall, in dem der Wasserstoff mit dezentral erzeugtem, regenerativem Strom direkt an der Tankstelle gewonnen wird, fallen keine (bzw. vernachlässigbare) Verluste durch Stromübertragung oder Transport an. Verkettet man Erzeugungs- (80 %) und Tankwirkungsgrad (89 %), erhält man den Well-to-Tank-Wirkungsgrad von 71 %. Die getankte chemische Energie (also das H2) muss nun in elektrische (Wirkungsgrad: 50 %) und schließlich in mechanische Energie (Wirkungsgrad: 90 %) gewandelt werden. So kommen wir auf einen Tank-to-Wheel-Wirkungsgrad von 45 % und insgesamt, also Well-to-Wheel, auf 32 %.

An anderer Stelle haben wir schon berechnet, dass diese zentrale Kennzahl für batterieelektrische Fahrzeuge 72 % erreicht (in dieser Rechnung sind Netzübertragungsverluste mit eingerechnet, da dezentrale Speicherung von Strom sich schwieriger gestaltet) und damit mehr als doppelt so hoch liegt wie bei Wasserstoffautos. Diese Diskrepanz bestätigt sich auch mit einem Blick auf die Verbrauchswerte: Ein gutes Mittel für H2-Fahrzeuge kann mit 1 kg Wasserstoff auf 100 km gefunden werden, was einer gespeicherten Energie von 39,5 kWh entspricht, wobei für Erzeugung und Befüllung insgesamt 55,3 kWh Strom aufzuwenden sind.

Würde diese Strommenge, statt sie für die Wasserstoffproduktion zu verwenden, mit einem Übertragungswirkungsgrad von 80 % in eine Batterie geladen werden, wären darin 44,2 kWh gespeichert. 20 kWh auf 100 km ist ein realistischer Fahrverbrauch für E-Autos und würde eine Reichweite von etwa 220 km statt 100 km bei gleichem Primärenergieeinsatz bedeuten.

Fazit

Wir sehen die Energieeffizienz als den wichtigsten Aspekt, den es bei der massenhaften Anwendung von Technologien für die Zukunft zu beachten gilt, und genau darin liegt die Paradedisziplin von batterieelektrischen Fahrzeugen. Auch mit großen Entwicklungsfortschritten ist nicht absehbar oder wahrscheinlich, dass eine andere Antriebsform, zum Beispiel die Brennstoffzelle, ihnen diesen Rang streitig macht. Deshalb sagen wir: Die Zukunft der individuellen Mobilität gehört auch langfristig in erster Linie der Batterie.

Das muss aber nicht heißen, dass der Wasserstoff keinen Platz auf der Straße hat: Für besonders energieintensive, mobile Anwendungen hat er gewiss seine Vorzüge (insbesondere wenn die Alternative fossile Brennstoffe sind) und auch eine Daseinsberechtigung. Ob diese nun im Schwerlastverkehr, in dezidierten Langstreckenfahrzeugen, Baumaschinen, der stationären Speicherung zum Abfangen von Leistungsspitzen oder in einem ganz anderen Feld liegt, wird sich zeigen. Wir bleiben auf jeden Fall gespannt und blicken mit großen Erwartungen in die Zukunft.

Literatur

KRAFTFAHRTBUNDESAMT: Pressemitteilung Nr. 8/2021 – Der Fahrzeugbestand am 1. Januar 2021

H2 MOBILITY: Netzausbau live – Der aktuelle Stand für Deutschland

BUNDESNETZAGENTUR: Ladesäulenkarte

KLELL, Manfred; EICHLSEDER, Helmut; TRATTNER, Alexander: Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik – Erzeugung, Speicherung, Anwendung. 4. Auflage, Wiesbaden, Springer Vieweg, 2018

DOPPELBAUER, Martin: Das Auto wird neu erfunden

Dubbel – Taschenbuch für den Maschinenbau

Dubbel – Taschenbuch für den Maschinenbau, 24. Auflage, Berlin Heidelberg, Springer Vieweg, 2014

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